In der Sache J. Robert Oppenheimer

11. Januar 2015 -

Am Freitag, dem 9. Januar 2015, hatte im Treff des E.T.A.-Hoffmann-Theaters das Stück „In der Sache J. Robert Oppenheimer” von Heinar Kipphardt Premiere. Gegenstand des Stücks sind die Anhörungen Oppenheimers vor der Atomenergiekommission der Vereinigten Staaten im Jahre 1954, welche über Oppenheimers Sicherheitsberechtigungen als Wissenschaftler im Dienste der Regierung entscheiden sollten.

Der Vater der Atombombe

J. Robert Oppenheimer gilt als Vater der Atombombe“: Als Forschungsleiter des Manhatten Projekts war er in den Jahren 1942-1946 maßgeblich an der Entwicklung und Herstellung der ersten Atombombe beteiligt. Da er sich jedoch nach den Erfahrungen der Bombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki für eine internationale Kontrolle der Atomenergie aussprach und Projekte zur Entwicklung einer Wasserstoffbombe zunächst nicht unterstützte, wurde seine unbedingte Loyalität gegenüber den Vereinigten Staaten angezweifelt. Die Anhörungen Oppenheimers fallen in die Zeit des immer offensichtlicher werdenden Konflikts zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion sowie der Antikommunismus-Kampagne unter Senator McCarthy. Oppenheimer wurde unter anderem aufgrund von früheren Verbindungen zu kommunistischen Kreisen der Spionage bezichtigt. Seine mögliche Weiterarbeit in sicherheitskritischen Bereichen wurde deshalb in mehreren Anhörungen von der Atomenergiekommission geprüft.

Für sein Schauspiel hat Kipphardt das 3.000 Seiten umfassende Protokoll dieser Untersuchungskommission herangezogen und daraus eine konzentrierte und auf der Bühne darstellbare Fassung erstellt.

Der Treff des E.T.A.-Hoffmann-Theaters bietet eine ideale Räumlichkeit für das Stück, da er mit seiner runden Form und einzeln gestellten Stühlen eine authentische Verhandlungsatmosphäre schafft. Zur Premiere sind die meisten Plätze von einem gemischten Publikum besetzt. Die in dunklem Holz gehaltene Bühne teilt sich in das linksseitige Hauptpodium mit dem Vertreter der Atomenergiekommission, dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses und dem Verteidiger Oppenheimers sowie einen separaten Sitzplatz für Oppenheimer selbst am rechten Bühnenrand.

Es ergibt sich eine räumliche Gegenüberstellung, durch die das Publikum genötigt ist, bei Wortwechseln immer zwischen den beiden Seiten hin und her zu blicken. Die dadurch potentiell entstehende Duell-Situation wird vom Ensemble allerdings nicht vollständig ausgereizt – vielleicht, um Kipphardts Leitgedanken ‚der Wahrheit Vorzug vor Effekten und Wirkung zu geben` Rechnung zu tragen. Dadurch erleben die Zuschauer eine realitätsnahe Anhörung, in deren Verlauf zunächst Oppenheimer von Atomenergiekommissar Robb in süffisantem Tonfall zu seiner Forschung befragt wird. Robb versucht Oppenheimer mit Hinweis auf dessen kontroverses Verhalten aus der Reserve zu locken, dieser bleibt jedoch sachlich-nüchtern und erklärt seine wechselnden Einstellungen zur Atombombe und die damit verbundenen moralischen Entscheidungen ruhig und selbstbewusst. Erst provozierenden Bemerkungen bezüglich Oppenheimers früheren Verbindungen zum Kommunismus und seiner ehemaligen Verlobten lassen diesen emotionaler werden.

Im Anschluss daran werden Zeugen aus dem Forschungsumfeld Oppenheimers angehört. Dabei werden deren unterschiedliche Einschätzungen zur Verantwortung der Wisschenschaft und zu den von ihnen entwickelten Massenvernichtungswaffen im Spannungsfeld des beginnenden Kalten Kriegs und Wettrüstens zwischen Vereingten Staaten und Sowjetunion deutlich. Die Anhörung endet mit den Plädoyers pro und contra Oppenheimer. Der Hauptvorwurf Robbs gegen diesen ist letztlich „Gedankenverrat” begangen zu haben, indem er die Entwicklung der Wasserstoffbombe und die damit einhergehende Vormachtstellung der Vereinigten Staaten nicht aktiver unterstützte. In der abschließenden Urteilsverlesung wird Oppenheimer die Sicherheitsgarantie entzogen.

 

Technologische Möglichkeiten sind für den Menschen unwiderstehlich. Wenn der Mensch zum Mond fliegen kann, tut er es. Wenn er das Klima beherrschen lernt, wird er es tun. (Lewis Mumford)

Da in der Inszenierung weder eine Fokussierung auf auch heute aktuelle Fragen - wie die Grenzen oder Kontrolle bzw. Freiheit der Forschung in ihrer Abhängigkeit von Wirtschaft und Politik - noch auf die Verantwortung des einzelnen Forschers für seine Entdeckungen ersichtlich ist, bleibt es den Zuschauern selbst überlassen, sich Gedanken über die „Botschaft” zu machen. Das Stück liefert dafür eine solide Basis an unterschiedlichen Anschauungen – ein „Aha-Effekt” oder tatsächlicher Diskussionsanstoß bleiben aber aus.

So stellt sich zuletzt doch die Frage, welche Intention mit dem Stück verfolgt wird bzw. wie es in der Gegenwart zu verankern ist. Das dafür in der Thematik durchaus vorhandene Potential wird nicht genutzt – stattdessen wird die Sache Oppenheimer von Regisseur und Darstellern quasi unkommentiert und nüchtern präsentiert. Der Zwiespalt, in dem die Wissenschaftler sich damals befanden, überträgt sich durch diese vollkommen wertungsfreie Darstellung auf das Publikum.

„In der Sache J. Robert Oppenheimer” am E.T.A.-Hoffmann-Theater ist definitiv keine leichte Unterhaltung – den Zuschauer erwartet keine Spannung, vielmehr ist der Ausgang der Untersuchungen von vornherein bekannt. Die Inszenierung gibt dem Publikum auch keine Hilfestellung bei der Bewältigung der teils zähen Anhörungen und der Bewertung der gehörten Meinungen. Das Stück lohnt sich dennoch aufgrund der aktuellen Frage nach Freiheit und Sinn von Forschung und nach ihrem Platz im Gefüge von Machtinteressen und Nutzen der Menschheit.

Weitere Aufführungen des Stücks gibt es vom 21. – 25. Januar im Treff des E.T.A.-Hoffmann-Theaters. Die Vorstellungen beginnen jeweils um 20 Uhr.

 

Bilder: © Thomas Bachmann