Ein Plädoyer für Standhaftigkeit, Solidarität und Verantwortung
Immer mehr Menschen in meinem Bekanntenkreis entwickeln eine geradezu panische Angst vor dem bösen Wort mit den 6 Buchstaben, das unser aller Alltag bestimmt: Corona. Oder Covid-19. Oder Sars-Cov-2. Das Virus, dessen Name seit Beginn des Jahres 2020 in aller Munde ist – sein Name, wohlgemerkt, nicht das Virus selbst.
Ich schreibe diesen Text nicht, um gegen die geltenden Gesundheits- und Hygieneauflagen zu wettern, wie es gegenwärtig einschlägige Interessensverbände und Verschwörungstheoretiker auf allen Kanälen tun. Ganz im Gegenteil: Ich zolle den Verordnungen von Bund und Ländern in vollem Umfang den ihnen gebührenden Respekt, und ich schließe mich allen Bemühungen bereitwillig an, um die Überlastung unseres Gesundheitssystems zu verhindern. Mit diesem Text möchte ich den Fokus auf den zivilen Alltag in Deutschland lenken, den ich am eigenen Leib erfahre. Denn mich besorgt die zunehmende Paranoia in der Bevölkerung.
Das extremste Beispiel, das ich in meinem privaten Umfeld zuletzt erlebte, war ein Besuch bei einer befreundeten Familie. Ich als Einzelperson und zeitlebens Vertraute der Familie durfte den Wohnbereich erst betreten, nachdem ich meine Hände gewaschen hatte und zwei Raumluftfilter die Atemluft im gesamten Wohnbereich umwälzten. Dabei war egal, dass ich kerngesund war, nur für ein kurzes Gespräch gekommen war und deutlich mehr als zwei Meter Abstand zu den Familienmitgliedern hielt. Hätte ich mich nicht daran gehalten, hätte ich das Haus nicht betreten dürfen. Der springende Punkt ist hierbei jedoch nicht die fragwürdige Vorschrift, sondern ihre Ursache: Die Familie fühlt sich in ihrem eigenen Haushalt nicht mehr sicher. Warum?
Nach meiner Wahrnehmung versteht der kollektive Konsens der gemäßigten Zivilbevölkerung eine Coronainfektion als das schlimmstmögliche Szenario, das gegenwärtig eintreten kann. Jedoch ist diese Angstvorstellung gleichzeitig nicht klar umrissen und wird verstärkt durch die intransparente Kommunikation ausschlaggebender Faktoren des Pandemieverlaufs in Medien und Politik. In welchem Verhältnis stehen die positiv gemeldeten Fallzahlen zu den täglich durchgeführten PCR-Tests? Mit welcher Begründung wurden die Inzidenzwerte der Corona-Ampel festgelegt? Und für mich die ausschlaggebendste Frage: Warum wurde in den Sommermonaten keine weitsichtige Strategie erarbeitet, sodass wir jetzt wieder von Monat zu Monat planen müssen? Es gibt unzählige Variablen in dieser großen, gesellschaftspolitischen Rechnung, und viele Leute sind zurecht davon verunsichert. Dennoch plädiere ich dafür, dass wir uns nicht von unserer Angst vereinnahmen lassen.
Eine überwiegende Mehrheit aller Personen, mit denen ich in den letzten Wochen gesprochen habe, tragen die fatalistische Parole vor sich her, das Jahr 2020 wäre ein Jahr für die Tonne: „Dieses Semester ist eh wieder alles online und privat dürfen wir nichts mehr, warum sollen wir uns überhaupt bemühen?“ Dem möchte ich vehement widersprechen!
Zweifellos: Das bisherige Kalenderjahr war ein außergewöhnliches, kompliziertes und auch aufwühlendes Jahr, das jeden von uns vor schwierige Herausforderungen und Entscheidungen gestellt hat. Es strengt uns alle an, dass es kaum mehr möglich ist, eine Vereinbarung zu treffen, die auch nächste Woche noch gilt. Aber das ist kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken und sich auf nichts mehr zu freuen! Bereits vor Corona waren unser aller Vorhaben nicht in Stein gemeißelt, und schon vor Corona mussten unsere Pläne oftmals aus den verschiedensten Gründen, u.a. Krankheit, kurzfristig geändert werden. Haben wir uns davon etwa unsere Lebensfreude nehmen lassen?
Wir können uns nicht dauerhaft einigeln und uns denken „Solange Corona mich nicht befällt, ist die Welt schon irgendwie in Ordnung“; egal, ob wir Studenten, Unternehmer oder Politiker sind. Einen Vorgeschmack darauf, wie das aussieht, wenn diese Haltung Schule macht, spüren wir bereits: Die EU denkt mittlerweile nur noch in Risikogebieten. Wer innerhalb Deutschlands reisen will oder muss, wird nicht mehr als Gast, sondern als potenzielle Virenschleuder wahrgenommen – sogar, wie im Fall meiner befreundeten Familie, im privatesten Kreis. Das ist keine Gesellschaft, die ich mir wünsche!
Ich habe ernsthaft Sorge, was die Panik vor Corona dauerhaft mit unserer Gesellschaft machen könnte. Wie verträgt sich die allgegenwärtige Mahnung zur Vorsicht mit dem zutiefst menschlichen Bedürfnis nach Sozialkontakt? Wir alle sind von der Krise betroffen, aber wer fällt bei dem kopflosen Galopp ins Ungewisse womöglich ganz hinten runter? Und wie viel Angst lassen wir uns persönlich machen, bis wir begreifen, dass wir uns damit im schlimmsten Fall selbst sabotieren?
Dennoch möchte ich ausdrücklich NICHT auf dieser düsteren Note enden. Mir macht zwar vieles Sorgen, aber es wäre zu bequem, sich hinzustellen und zu proklamieren, das Jahr wäre unrettbar für die Katz‘ – denn das ist es nicht! Wir haben über die letzten Monate wertvolle Erfahrungen gesammelt und jede Menge Kreativität freigesetzt, die wir jetzt nutzen können - nutzen müssen! -, um dieses Semester mit Corona besser zu gestalten als das letzte. Denn wir als Studierendenschaft sind nicht plötzlich weg, nur weil die Lehre wieder online stattfindet. Im Gegenteil, wir sind vielzählig vor Ort in Bamberg! Die Zeiten sind nicht einfach, für keinen von uns, aber das ist kein Grund, das Handtuch zu werfen. Machen wir stattdessen gemeinsam das Beste daraus!
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