„In aller Ruhe (Quietly)"

29. Mai 2015 -

Dass das Leben kein Ponyhof ist, hat inzwischen auch schon fast jeder mitbekommen. Manchmal ist es sogar ganz besonders hart und hin und wieder tritt die Vergangenheit in Räumen zutage, die eigentlich als Abgrenzung alles Unangenehmen gedacht sind. In einem solchen Raum, einem Pub in Belfast, treffen sich am Abend eines Fußballspiels zwei Männer, die in dieser Stadt leben und aufgewachsen sind. Vor dem Pub hört man Jugendliche pöbeln, drinnen läuft im Fernsehen die Übertragung des Spiels Polen gegen Irland. Ein normaler Abend in Irland, so scheint es. Der polnische Barkeeper werkelt an seinem Tresen herum und kommentiert lauthals das Fußballspiel, während sein einziger Gast sich an seinem Bier festhält und ebenfalls hin und wieder mal schimpfend auf den Tisch haut. Doch bald ändert sich die Szenerie. Jimmy, der Gast, ist unruhig. Er kündigt an, dass er sich in der Bar noch mit jemandem treffen wird.

Dann trifft Ian ein. Ein Mann um die fünfzig, hager. Ihm ist anzusehen, dass er eigentlich genau weiß, wie unwillkommen er in Wirklichkeit ist. Wie zwei Tiger streichen die beiden Männer umeinander herum. Jimmy greift Ian sofort an, der wehrt sich kaum. Die körperliche Attacke ist kurz, doch sie ist auch erst der Anfang. Der Dialog zwischen den beiden Iren schleppt sich dahin, aber während der Barmann ein Bier nach dem anderen aus der von der Decke hängenden Bar pflückt, wird bald klar: Hier ist etwas Schreckliches passiert. Die gleiche Bar, die gleichen Männer. Nur der Barmann war ein anderer. Die Männer waren damals noch Jugendliche. Jimmy ist wütend und hasserfüllt. Ian sitzt am andern Ende des Pubs. Während Jimmy um ein Geständnis und ein Zeichen der Reue ringt, wirkt sein Gegenüber stellenweise geradezu passiv.

Ein kleiner Rückblick: Als die beiden 16 Jahre alt waren, änderte ein tiefgreifendes Ereignis für beide Jungen ihr Leben. Während im Land der Kampf zwischen Katholiken und Protestanten tobte, konnte die Jugend nur verlieren. Sozialisiert in einem Klima von Hass und gegenseitigem Misstrauen ist auch der Lebensweg von vielen schon in einer Gewaltspirale vorprogrammiert. Ian ist beeinflussbar, er sieht in den rebellischen Aktivisten seine Vorbilder und will unbedingt einer von ihnen sein. Dabei geht er so weit, dass er am Abend der Fußballweltmeisterschaft eine Bombe wahllos in einen Pub wirft. Alle Menschen dort sterben, unter ihnen ist auch Jimmys Vater. So treffen sich die inzwischen erwachsen gewordenen nach über 30 Jahren wieder an dem Ort, wo der eine die Bombe geworfen hat und der andere die Leichenteile seines Vaters zusammensuchen musste.

Vergebung kann eine unerreichbare Hürde sein, aber es geht auch nicht unbedingt um das Vergebenkönnen. Es geht um die Zusammenhänge, um die Taten und auch Gedanken in den Köpfen. Es geht ebenso darum, was blinder Hass und Gewalt aus Menschen machen können. Ein ständig aktuelles Thema auch in Deutschland in Zeiten von immer offensiver gezeigtem Rassismus und privilegierten Gruppierungen, die sich vom Andersartigen bedroht fühlen und auf die Straße gehen. Das Stück aus Irland zieht die Gewaltspirale auch in den Zeitpunkt der Rahmenhandlung mit hinein: Nachdem die beiden Männer und mit ihnen die quälenden Erinnerungen an das Attentat die Bar verlassen haben, bekommt der Zuschauer noch mit, wie ein bedrohlicher Mob von außen beginnt, die polnische Bar zu attackieren. Gewalt ist das Leitthema, welches sich durch das Stück von Owen McCafferty zieht.

Quietly" war der Beitrag, den das Staatstheater Nürnberg zu den 33. Bayerischen Theatertagen beitrug. Die Inszenierung von Patricia Benecke wurde im Dezember 2014 in Deutschland erstaufgeführt. Für die Theatertage spielte das Stück im Treff des E.-T.-A.-Hoffmann Theaters, wobei die Publikumsplätze teilweise direkt in die Bühne integriert wurden, so dass sie fast schon selber zum Teil der Barbesucher wurden. Die Bar selber spiegelte sich: Während der Barmann an der Theke stand, hing direkt über ihm kopfüber eine andere Bar, wie ein Schatten aus alten Zeiten, aus der er das Bier entnahm. Die Bühnenbildnerin Elena Köhler hatte sogar Barhocker aufgehängt, an denen Fetzen von Kleidern hingen, als dunkle Erinnerung an die letzten Besucher.

Foto: Marion Bührle

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